The Age of Sex
- Edition Michael Fischer
- Erschienen: August 2024
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Je nach Lebensphase gibt es typische Schwierigkeiten, die unsere Sexualität beeinträchtigen – wie wir ihnen begegnen und mit ihnen umgehen können, weiß Sexologin Katrin Hinrichs.
Auch wenn viele es nicht wahr haben wollen, Sex verändert sich im Laufe des Lebens. Klar bekommt man mehr „Übung“, lernt sich und seinen Körper besser kennen und weiß, was einem gefällt. Doch nicht nur positive Veränderungen kommen mit der Zeit dazu, vor allem sind es die negativen Aspekte, die wir bemerken und die uns schließlich zur Therapie führen, wie Katrin Hinrichs aus ihrem Praxisalltag zu berichten weiß. Nach ihrer Zeit als Betriebswirtschaftlerin, in der sie erfolgreich eine Agentur leitete, orientierte sie sich noch einmal komplett neu um und begann eine Ausbildung zur klinischen Sexologin und berät in ihrer Praxis Menschen mit Sexproblemen jeden Alters. So unterschiedlich die jeweiligen Schwierigkeiten der einzelnen Klienten im Detail auch sein mögen, weisen sie je nach Lebensphase im Kern doch viele Gemeinsamkeiten auf, auf welche Hinrichs in ihrem Buch „The Age of Sex“ näher eingeht und für welche sie Methoden aufzeigt, um wieder zurück zu einem erfüllten Sexleben zu finden.
Vom Teen bis sechzig plus: Schwierigkeiten können immer auftreten
Katrin Hinrichs startet ihr Buch mit einem kurzen Vorwort, in dem sie kurz erklärt, warum es sinnvoll sein kann, Rat in einer sexologischen Praxis zu suchen. Anschließend geht es auch schon mit dem ersten Teil los. Hier geht sie darauf ein, wie sich Sexualität in den letzten Jahrzehnten veränderte, wie sexuelle Probleme durch moderne Medien entstehen können und welche Bedürfnisse eigentlich hinter dem Wunsch nach Sex stecken. Des Weiteren erläutert sie das Modell, nach dem sie therapiert: Bei „Sexocorporel“ handelt es sich um eine vielschichtige Herangehensweise, mit der sowohl sexuelle Phänomene beschrieben, eine Diagnose gestellt und eine aufbauende Behandlung durchgeführt werden kann, wobei vor allem die Einheit von Körper und Geist im Mittelpunkt steht. Sie beschreibt, wie physiologische, emotionale, kognitive und die Beziehungskomponente bei Sexocorporel Berücksichtigung finden, welche Vorteile diese Einteilung in der Therapie hat und wie unser Denken und Fühlen sich dabei körperlich bemerkbar machen kann.
Im zweiten Teil geht Katrin Heinrichs konkret auf die verschiedenen Lebensphasen ein, denen sie jeweils ein ganzes Kapitel widmet. Den Anfang machen die Teenies, wobei sie in diesem Kapitel schon beim Babyalter und den dort entstehenden ersten sexuellen Prägungen beginnt. Weiter geht es mit den Zwanzigjährigen, die mit Tinder aufgewachsen sind und für die Sex überall verfügbar zu sein scheint. Gleichzeitig stehen sie unter Druck, überall performen zu müssen, um erfolgreich zu sein, was sich auch auf den Sex ausweitet. In den Dreißigern wird der Druck nicht kleiner. Karriere und in vielen Fällen auch noch Familie müssen irgendwie unter einen Hut gebracht werden, Alltag und Routinen kommen dazu, Leidenschaft fällt oft immer mehr unter den Tisch.
In den Vierzigern fangen die Hormone bei Mann und Frau langsam an sich zu verändern, was sich auch auf die Lust auswirkt. Wird jetzt nicht kommuniziert, wie es einem geht, was man sich wünscht oder braucht, geschieht oft ein Rückzug und die Sexualität bleibt auf der Strecke. In den Fünfzigern sind die Wechseljahre nun endgültig da und beide müssen sich neu finden, was sich ganz unterschiedlich auswirken kann und auch mal in späten Scheidungen enden kann, wenn sich die Vorstellungen zu weit auseinanderentwickeln. Dass auch mit sechzig noch eine erfüllende Sexualität stattfinden kann, zeigt Hinrichs im Kapitel „Sechzig plus: Eine andere Qualität und zum Glück noch mehr“. Zwar ist das Bedürfnis nach Sex in dieser Lebensphase oft geringer, dennoch existiert der Wunsch nach Sexualität weiterhin. Gesellschaftlich handelt es sich hierbei leider oft noch um ein Tabuthema, gleichzeitig geht es bei sexueller Selbstbestimmung um ein Menschenrecht, das auch im Alter Gültigkeit hat und bei dessen Thematisierung und Umsetzung, unter anderem in Seniorenheime oder auch bei Verwandten, noch große Hemmungen existieren.
Zusätzlich gibt es im zweiten Teil noch mehrere Kapitel, die sich mit einzelnen sexuellen Problemen beschäftigen, die nicht unbedingt einer Lebensphase zuzuordnen sind sondern in verschiedenen Abschnitten immer wieder vorkommen können. So befasst sich die Autorin unter anderem mit dem Orgasmus bei Frauen, Erektionsstörungen bei Männern, der Rolle der Hormone oder auch der Art, wie man überhaupt erst „in Fahrt“ kommt und wie sich die Lust auf mehr entwickelt oder eben ausbleibt. Zum Abschluss folgt noch ein Ausblick, in dem sich Hinrichs mit der Frage beschäftigt, ob lebenslange Lust möglich ist, beziehungsweise was dieser oft im Wege steht.
Sex ist nur selten ein Selbstläufer
Probleme im Bereich der Sexualität können vielfältig sein, daher hat wahrscheinlich auch jeder Erfahrungen mit Phasen, in denen mal weniger Lust vorhanden ist, sexuelle Probleme bestehen oder die Vorstellungen in der Partnerschaft hinsichtlich einer erfüllenden Sexualität auseinandergehen. Für Katrin Hinrichs Alltag, denn als Sexologin wird sie täglich mit vielfältigen Problemen im Bett konfrontiert und versucht gemeinsam mit ihren Klienten Lösungen zu finden, sodass diese wieder zurück zu einer erfüllten Sexualität und in vielen Fällen auch einer erfüllten Partnerschaft finden können, denn oft sind Schwierigkeiten in der Beziehung und im Schlafzimmer eng miteinander verknüpft. Da es sich bei sexuellen Problemen noch immer um ein großes Tabuthema handelt, über welches nur die wenigsten Menschen sprechen, fühlt man sich mit seinen Schwierigkeiten oft allein. Oft bestehen auch abstruse Vorstellungen von dem, was für „normal“ gehalten wird, sei es in Punkto Häufigkeit, Abwechslung oder auch, dass Sex intuitiv stattfindet und weder Übung noch Kommunikation zwischen den Partnern erforderlich ist.
In ihrem Buch räumt sie mit Mythen auf, spricht Tabus an und zeigt, wie „normal“, vielfältig und verbreitet Probleme im Bereich Sexualität sind. Egal ob gut aussehender Teen, cooler Typ oder junge Frau, jeden kann es treffen, wie die vielen anschaulichen Beispiele aus ihrem Praxisalltag zeigen. Auch wird deutlich, wie typisch manche Schwierigkeiten in bestimmten Lebensphasen sind, wodurch sie häufig entstehen und wie sie in der Therapie angegangen werden.
Dadurch, dass Hinrichs in ihrem Buch alle Lebensphasen und verschiedenste Probleme thematisiert, ist ihr Buch eher als eine kompakte Übersicht zu verstehen. Will man tiefer in ein Thema oder eine Lebensphase eintauchen oder kommt mit den „Erste-Hilfe-Methoden“ nicht weiter, empfiehlt sich eine weiterführende Lektüre, zu der es im Anhang eine Liste an Empfehlungen zu den verschiedensten Bereichen gibt.
Fazit
Insgesamt ein interessantes Buch, in dem verschiedenste sexuelle Probleme in ihren typischen Lebensphasen kurz betrachtet werden und deutlich wird, dass Hindernisse im Bett verbreiteter sind, als man allgemein erwarten würde. Katrin Hinrichs geht auf mögliche Ursachen ein, nennt Lösungsansätze aus ihrem Praxisalltag und holt das Thema sexuelle Schwierigkeiten aus der Tabuzone.

Katrin Hinrichs, Edition Michael Fischer
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