Eine unverschämt gute Analyse!
Groß prangert der Buchtitel in auffälligen Farben auf dem Cover. Bewusst, wie Madita Oeming auch einleitend ausführt. Denn sie macht auch darüber deutlich, dass sie für ein besonderes Tabuthema einen deutlich offeneren Umgang einfordert. Gleich vorab: Nein, es gibt keine bunten, expliziten Bilder und keine ausführlichen Szenenbeschreibung für das lustvolle Kopfkino. Dafür sehr viel anregende und aufregende Substanz für mehr Verständnis und Diskurs.
„Wenn es heutzutage in Deutschland nicht einmal möglich ist, sich wissenschaftlich damit auseinanderzusetzen, ohne sich in Verruf oder gar in Gefahr zu bringen, dann sind wir in puncto sexueller Befreiung weniger weit, als wir wohl dachten.“
Was mir schon auf den ersten Seiten unglaublich gut gefällt und sofort an die Seiten fesselt, ist Madita Oemings klare, unverkrampfte Sprache ohne verschachtelte Verklausulierungen und ein sehr gut strukturierter Aufbau ihrer Analyse. Auch wenn sie sich stets wissenschaftlich fundiert den unterschiedlichen Aspekten widmet, immer wieder werden ihre Ausführungen emotional aufgeladen, mal humorvoll, mal eindringlich die Stimme (sprichwörtlich) erhebend - nicht nur aus feministischer Perspektive.
So gelingt es Leserinnen und Leser mitzureißen und unterhaltsam durch ein komplexes, facettenreiches Thema zu manövrieren. Die Begriffsgeschichte der Pornographie, die Bedeutung im gesellschaftspolitischen Wandel, die Trennung von Gewalt und Pornografie auch im strafrechtlichen, juristischen Kontext, Kunst und Pornographie, Jugendschutz, der Einzug des Feminismus - die Vielfältigkeit des Themas scheint beinahe überfordernd, doch Madita Oeming ordnet sie für uns verständlich ein. Feinfühlig, aber fokussiert und präzise wirft sie einen kritischen Blick auf die Entwicklungen, die Rolle der Medien, Genderstereotypen und Sexismus.
„Herausforderung Porno“
Ihre Aufklärung zur Studienlage in Deutschland ist ernüchternd. Madita Oeming macht auf eine noch sehr einseitige Ausrichtung der wissenschaftlichen Forschung in diesem Zusammenhang aufmerksam. So ist es verständlich, dass im Rahmen ihrer Argumentation auch vereinzelt ältere Studiendaten herangezogen werden müssen, bei denen ich mir durchaus die Frage stelle, wie sehr sie möglicherweise bereits überholt sein könnten.
Und so ist auch nicht verwunderlich, dass bei der Frage nach der Beliebtheit von Pornokategorien - deren Merkmale und Eigenschaften uns Oeming ebenso erläutert - die kommerzielle Porno-Plattform (Pornhub) zur Datenerhebung herangezogen wird. Hier wird dann aber leider lediglich die Quantität der „Suche“, statt tatsächlicher Sehdauer ausgewertet. Es wäre sicher aufschlussreich, die Neugier gegen die tatsächliche Nutzung zu stellen.
Fazit
„Eine unverschämte Analyse“ lautet der Untertitel des Buches. Und ich würde ihn gerne gleich erweitern: Eine unverschämt gute Analyse! Wer sich auch nur ein wenig für das weite Themenfeld Pornographie interessiert, findet in diesem kompakten und aufschlussreichen Werk, eine hervorragende und nachvollziehbare Grundlage, die einen anderen, offeneren Umgang und Dialog ermöglicht, zusätzlich viel Faszination für das Thema weckt, das so hoffentlich seinen „historischen Ballast“ abwerfen kann.
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