Eine Enzyklopädie, die keine ist
Enzyklopädie der Frau: Update
Die „Enzyklopädie der Frau“ war im Italien der 60er Jahren ein wöchentliches Sammelheft mit allem, was die perfekte Hausfrau, Gattin und Mutter wissen und können muss. Sex kam nicht drin vor. Deswegen gibt es dieses Buch. Über die Entstehungsgeschichte schreibt die Ich-Erzählerin Amanda, eine erfolgreiche Uni-Dozentin in den Fünfzigern: Ihre Mutter bekam die gesammelten Ausgaben der Enzyklopädie gebunden als Hochzeitsgeschenk überreicht. Der war es zu reaktionär und bieder, statt es zu lesen oder gar zu befolgen gab sie es der Tochter erst als Sitzerhöhung für den Esstisch und dann zum Spielen, Schnippeln, Basteln. Die aber war fasziniert vom Inhalt und las und las und las, von A wie Abendkleidung über B wie Bettwäsche, E wie Efeu, Erziehung und Eierspeisen, über die Aufbewahrung von zuhause nicht waschbaren Kleidungsstücken, Fleckentfernung, Seidenstrümpfe. Und stellt als erwachsene Frau fest, dass „ein Sachgebiet fehlt, eins das die Frau sehr persönlich betrifft: die Möse.“ Und das will sie nun ändern. Ergänzen.
Keine Enzyklopädie, sondern ein Roman …
Dabei geht es im Folgenden keineswegs seitenweise um genau dieses Körperteil. Eigentlich gar nicht, sondern viel mehr um alles, was ein Mann und eine Frau im weitesten Sinne damit machen können. Es ist nur der Aufhänger, damit Amanda erzählen kann, über ihre Ansichten, Erfahrungen und Taten rund um Sex und Liebe.
Denn Amanda liebt Sex. Just Sex. Befriedigung, Orgasmus, das Körperliche steht klar im Vordergrund, nicht Liebe. Trotzdem geht sie sehr wohlwollend mit all ihren Liebhabern um. Sind ja alles Menschen. Sie stellt niemanden bloß, benutzt niemanden außer zum gegenseitigen Spaß haben, spielt immer mit offenen Karten, nimmt Rücksicht auf die Gefühle des anderen und versucht zu vermeiden was sie overbooking nennt: „Eine unglückliche Fügung, bei der es aufgrund einer Laune der Götter zu Überschneidungen kommt.“ Aber manchmal passiert es ihr aus reiner Lust an der Liebe. So lernt sie auf einem langen turbulenten Flug einen Mann kennen, den sie den Jungspund nennt: schöner Körper, durchtrainiert, noch grün hinter den Ohren, es knistert gewaltig, und beim Aus-Checken verabredet man sich zur gemeinsamen Taxifahrt. Dann entdeckt sie auf dem Handy die Nachricht von Francesco. Das ist ihr aktueller Liebhaber daheim, er hatte sich extra frei genommen, um sie vom Flughafen abzuholen .… „Dass er auch existierte, hatte ich total vergessen, aber womöglich hatte ich ihn vor meiner Abreise sogar gebeten, mich abzuholen, mich auf einen Kuss gefreut. Darauf, im Auto seine Hose zu berühren, gemeinsam den Nachmittag zu verbringen. Auf einen von beiden musste ich notgedrungen verzichten.“ Und das tut sie, nicht ohne den Jungspund auf ein anderes Mal zu vertrösten.
… über eine Frau, die weiß, was sie will ….
Gleichzeitig ist sie sehr konsequent. Wenn es nein heißt, dann heißt es nein: „Im Laufe der Zeit habe ich mir eine gewisse Ritterlichkeit angewöhnt, dass, wenn zwei miteinander ins Bett gehen, die Sitzung erst beendet ist, wenn beide gekommen sind. Aber immer geht es auch nicht.“ Einmal, sie war gekommen und müde und mehr am Einschlafen interessiert als an dem Mann und daran ihn auch noch kommen zu lassen. Als sie ihm sagte „keine Lust mehr“ war seine Reaktion: Hast du sie noch alle? „WAS für ein Trottel. Wenn ich ihm vorher nicht behilflich war, wie kommt er dann darauf, ich würde nach so einer Verbalattacke etwas für ihn tun? Wollte er Streit oder einen Orgasmus?“ Machs dir doch selbst, rät sie, kannst mich auch gerne dabei anschauen oder ins Bad gehen oder ich lade dir einen Porno runter. „Er beschimpft mich als Nutte. Das hab ich liebevoll wortlos so stehenlassen und auf die Nummer des Taxis gezeigt, die immer an meiner Wohnungstür hängt. Die Leute haben keine Ahnung was sie von sich geben. Eine Prostituierte hätte ihn befriedigt und sich dann dafür bezahlen lassen. Ich habe ihn nicht befriedigt, noch dazu kostenlos.“
… und gerne vögelt.
Mit solchen und ähnlichen Szenen nimmt sie die gängigen Moralvorstellungen fein lächelnd auseinander. Und wo sie recht hat, hat sie recht. Aber: es sind duchaus ungewöhnliche Statements für eine Frau, das bekommt sie auch regelmäßig gesagt: Nutte, Schlampe, oder netter: sie sei doch eigentlich ein Mann. „Nur weil ich zum Spaß Sex habe.“
Diese paar Szenen sollen verdeutlichen, dass es in diesem Buch nicht um ekstatischen Sex geht, um erotische Anleitungen oder dass es gar ein Sachbuch ist. Auch wenn die auf jeder Seite markierten und im Register nachzuschlagenden Textstellen den Anschein erwecken.
Es ist eine Roman über eine Frau, die gerne vögelt.
Fazit
Dieses Buch ist weder eine Enzyklopädie noch ein Sachbuch, sondern eigentlich ein Roman über eine Frau, die Spaß am Sex hat. Und aus ihrer reichen Erfahrung plaudert, wie sie es macht.
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