Tabus heute, gestern, morgen
Tabu - dieser Begriff stammt ursprünglich aus Tahiti und Entdeckerkapitän Cook brachte ihn mit von seinen Reisen. Die Tahitianer hatten die fremden Besucher bei allem, was sie nicht anfassen oder haben durften, gefragt, ob es „tabu“ sei. Seit dem heißen Sprech-, Darstellungs- oder Handlungsverbote auch bei uns Tabus, gegeben hat es sie aber vorher schon immer. Es wird sie immer geben und es gibt auch aktuell noch genug.
Tabufreie Zeiten gibt es nicht
Dass wir nicht in tabufreien Zeite leben, merkt man, wenn man sich vergegenwärtigt, was eben tatsächlich noch tabu ist, und zwar so selbstverständlich, dass man gar nicht auf die Idee käme, es zu tun oder drüber zu reden. Macht man einfach nicht. Etwa andere frei heraus auf einer Party nach ihrem Einkommen fragen oder ihnen auf den Kopf zusagen, dass man gerade daran denkt, wie es wäre, wilden leidenschaftlichen Sex mit ihnen zu haben. Oder: Offen darüber reden, wenn jemand in seinem ganzen Leben noch keinen Sexualpartner gehabt hat; einen Sterbenden auf sein nahendes Ende anzusprechen. Körperflüssigkeiten laufen lassen, Urin, Speichel oder Menstruationsblut. Dass Selbstbefriedigung für die meisten so normal ist wie Kaffeetrinken, aber alle so tun, als täten es nur die anderen. Sexualität von alten Menschen Zoophilie. Oder: Pädophilie, vor allem mit Frauen in der Täterrolle.
An dieser Zusammenstellung merkt man, es geht bei weitem nicht nur um Sexuelles aber doch viel, und man merkt auch das Problem, das ein Tabu bewirken kann: Wenn es „verboten“ ist über etwas Verbotenes zu sprechen - eben Pädophilie - dann ist es schwierig für Opfer und Helfer, etwas dagegen zu tun. ,
Viele Stichworte, mal lang, mal kurz beschrieben
Nach einer längeren Einführung listet der Autor in alphabetischer Reihenfolge Personen, Ereignisse, Künstler, Musiker, Filme, Phänomene auf und beschreibt sie mal in wenigen Sätzen, mal seitenlang. Genau und auch sehr unterhaltsam. Das liegt einerseits am lakonischen Schreibstil, andererseits in der Natur der Sache. Denn manche Tabubrüche sind aus unser heutigen Sicht so unverständlich, dass man nur noch schmunzeln kann: „Der Impressionismus sorgte in seiner Zeit für Aufruhr, heute ist er ein Tapetenmuster.“
Fazit
Ein hochinteressantes Buch zum Querlesen und Drübernachdenken. Kleines Manko: Die kleine Schrift. Zwar passt so unglaublich viel an Tabus, Tabubrüchen und Gedanken auch ins Taschenbuchformat, macht es aber doch ein bisschen anstrengend. In kleinen Häppchen lesen ist am besten – wozu der Lexikonstil sich ja perfekt anbietet.
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