01.2019 Christian Huth, Autor von „Sex-Flüsterer“.
Beim Online-Dating sind die Kontaktwünsche ebenso vielfältig wie im analogen Leben.
Erotik-Couch:
„Die Sexflüsterer“ ist bei weitem nicht der erste Ratgeber zum Thema Online-Dating. Wie entstand die Idee, einen weiteren zu schreiben und was ist anders an Ihrem? Und vielleicht auch besser?
Christian Huth:
Zusammen mit meinen jungen Kollegen und Co-Autoren Christoph Streicher und Steffen Hafenmayer lesen und analysieren wir seit Jahren wissenschaftliche Studien und Forschungsergebnisse aus aller Welt in Sachen Liebe, Sexualität, Partnerschaft und Pornografie. Das schult uns und öffnet uns die Augen für die menschliche Sexualität und wie sie sich in den unendlichen Weiten des Internets darstellt.
Darüber hinaus arbeiten wir tagtäglich als Manager für diverse große erotische Dating-Portale. Wir befragen die Mitglieder unserer Communitys immer wieder gerne nach ihren sexuellen und emotionalen Vorlieben, Praktiken, Sehnsüchten, Erfahrungen und Frustrationen.
Die Koppelung der wissenschaftlichen Analysen mit dem praktischen Erfahrungsschatz von vielen Zehntausend Internetnutzern ist so etwas wie unser Erfolgsrezept. Damit können wir die verblüffenden und für den einzelnen Online-Teilnehmer echt hilfreichen Erkenntnisse zum Nutzen aller teilen. Wir denken, deshalb ist uns mit diesem Buch etwas Einzigartiges gelungen.
Erotik-Couch:
Sie belegen viele Tipps und Vorschläge mit Statistiken, Zahlen, Fakten. Weil Ihre Co-Autoren die Dating-Seite "poppen.de" betreiben, glauben wir Ihnen gerne, dass all die Daten auch stimmen. Wäre ich Mitglied, würde ich jetzt allerdings nervös: Was wüssten Sie denn wohl noch alles von mir?
Christian Huth:
An den Umfragen unser Datingportale nehmen teilweise mehr als 50.000 Menschen teil. Natürlich ist diese Datenerhebung absolut anonym. Deshalb offenbaren die Teilnehmer bei diesen anonymen Umfragen ihre wirklichen Bedürfnisse, die sie einem anderen Menschen direkt niemals oder nur ungerne mitteilen würden, weil der damit weiß Gott was alles anstellen könnte. Wir wissen nicht, wer was geantwortet hat. Man kann es auch so ausdrücken: uns interessiert das “Schwarmverhalten.” Über den Einzelnen erfahren wir praktisch nichts, über die Gesamtheit der Teilnehmer wissen wir allerdings viel. So erhalten wir ein großes Verständnis für das männliche und weibliche Begehren und können die signifikanten Unterschiede im Onlineverhalten zwischen den Geschlechtern erkennen und erklären - und, weil Sie die Statistiken, Zahlen und Fakten aus dem Buch ansprechen, auch fundiert belegen. .
Erotik-Couch:
Generell und aus Ihrer Erfahrung: Was ist anders beim Online-Dating als beim analogen Kennenlernen? Was leichter, was schwieriger, was kann man alles falsch machen, was richtig?
Christian Huth:
Wer auf einer Parkbank einen Menschen sieht, oder in einem Cafe, weiß in der Regel nicht, warum diese Person dort sitzt. Will diese Frau oder der Mann ausruhen und relaxen, eine Enttäuschung oder gar Wut verdauen, einfach nur Ruhe haben, die Vögel singen hören oder ist sie oder er auf Kontakte aus? Diese Frage ist bei einem Online-Dating-Portal durch die pure Anwesenheit auf dieser Seite schon eindeutig geklärt. Man(n) oder Frau wünscht sich Kontakte, andernfalls wäre man nicht da. Das vereinfacht die Situation ungemein und macht den Erfolg dieser Portale aus.
Doch dann wirds auch beim Online-Dating kompliziert. Es stellen sich neue Fragen - jedenfalls sollte man sie sich stellen. Zum Beispiel: welche Art von Kontakt wird angestrebt? Wie wird der Kontakt optimal geknüpft? Soll man beispielsweise offensiv vorgehen, mit der Türe ins Haus fallen? Oder ist es besser, eine lange, tiefschürfende Nachricht zu schreiben? Ist das posten eines kurzen Witzes angemessen, um Sinn für Humor zu zeigen oder doch lieber das drechseln von honigsüßen Komplimente, in der Hoffnung, dass jemand daran kleben bleibt?
Sich diese Fragen nicht zu stellen, kann ein großer Fehler sein. Manche, nein eigentlich viel zu viele, gehen davon aus, dass die andere Person aus dem gleichen Grund hier ist, wie man selbst. Das führt dann dazu, dass ein Mann, der einen sofortigen On-Night-Stand sucht, sein Bild mit stolz erhobenem Geschlechtsteil und der uncharmanten Fage verschickt: ”Hast Lust auf poppen?” Er kann nicht verstehen, warum er sich selbst beim Hundertsten Versuch sich einer Frau zu nähern, harsche Abfuhren einhandelt. Dann fragt er sich oder unsere Admins von hilflos bis aggressiv: “He, was soll das? Wir sind doch alle aus dem gleichen Grund hier…!” Äh, nein, sind wir nicht. Darin liegt der Irrtum derer, die kein Erfolg haben. Beim Online-Dating sind die Kontaktwünsche ebenso vielfältig wie im analogen Leben. Man sollte nicht von sich ausgehen, sondern auf den anderen eingehen, wenn man Erfolg haben will.
Erotik-Couch:
Frauen wundern sich ja oft über die zügig und unverlangt zugeschickten Dickpics, sollte es sich doch eigentlich mittlerweile rumgesprochen haben, dass sie die in den seltensten Fällen scharf finden. Im Gegenteil. Können Sie erklären, warum Männer es trotzdem tun und – weil man es vielleicht nicht oft genug sagen kann – warum sie es besser nicht tun sollten?
Christian Huth:
Oh ja, da sind Männer geradezu unbelehrbar. Versuchen wir es trotzdem noch mal: Fast jeder Mann gerät sofort in Fahrt, wenn er Bilder einer reizvollen Frauenbrust oder eines schönen Hintern sieht. Ich auch. Man fragt dann nicht, wer ist diese Frau? Ist sie eine Verkäuferin in einer Boutique oder sitzt sie an der Kasse eines Supermarktes? Ist sie eine Lehrerin? Ein Bankangestellte? Wenn man(n) horny ist, das egal. Wir Männer möchten das Objekt einer Begierde möglichst sofort haben. Es ist ein Erbe unserer Evolution: Männer wollen seit Urzeiten ihren Samen möglichst weiträumig und überall verteilen. Reich-Ranicki hat das auf den Punkt gebracht: “Man kann vielleicht nicht mit allen Frauen der Welt schlafen - man sollte es aber versuchen.”
Frauen ticken da anders. Sie möchten möglichst viel über die Lebenssituation eines Mannes erfahren. Die Chancen eines Mannes steigen bei Frauen nicht mit der Größe seines Penis, sondern mit einem geregelten Leben, seiner Gesundheit, seinem Ein- und Auskommen, seiner Rolle als Beschützer (oder was eine Frau in der heutigen Zeit darunter versteht). Auch dieses weibliche Verhalten ist der Evolution geschuldet. Immerhin kann sich ein Mann nach dem Samenerguss verziehen. Eine Frau hingegen gerät dabei unter Umständen in andere Umstände und muss mit den Konsequenzen dann viele Jahre leben, also den Nachwuchs aufziehen.
Ein Mann, der Erfolg bei Frauen haben will, sollte also nicht gleich sein bestes Stück auspacken, sondern anderes von sich preisgeben: Seine Hobbys zum Beispiel. Fotos mit seinem Hund oder im Garten oder auf dem Motorrad. So etwas verrät einer Frau viel mehr über die Persönlichkeit als ein Dick-Pic.
Erotik-Couch:
Gibt es ein ähnlich häufiges und aus-dem-Rennen-werfendes NoGo weiblicherseits? Vor dem Sie jetzt und hier alle Frauen bewahren könnten, die das Interview lesen?
Christian Huth:
Wir alle wissen, oder können es uns zumindest denken, dass Frauen weltweit auf Dating-Portalen eine überaus begehrte Minderheit sind. Sie werden deshalb online viel offensiver angebaggert, als sie es in ihrer Offline-Lebenswirklichkeit erfahren. Ja, ja, es ist wirklich so: wenn eine Frau einen Booster für ihr Selbstbewusstsein braucht, sollte sie sich unbedingt auf einer Dating-Community anmelden! Da kann sie sich vor Komplimenten und Avancen kaum retten. Doch wenn sie das zum Anlass nimmt, in ihren Nachrichten und Kommentaren zickig, ignorant und arrogant zu werden - was leider viel zu häufig vorkommt - muss sie damit rechnen, dass sie dadurch genau den Richtigen vergrault - und die Hartgesottenen, vielleicht nennt man sie besser Notgeilen, bekommt - oder weiterhin alleine schlafen muss.
Erotik-Couch:
Und ganz kurz: Der beste Tipp – für Männer und für Frauen – um online den (Sex-)Partner fürs Leben zu finden?
Christian Huth:
Da kann man nur drei Tipps geben: 1. Geduld! 2. Geduld! 3. Geduld! Sich also die Zeit zum Kennenlernen nehmen. Dafür gibt es auf guten Datingseiten einen Chat, das Forum und natürlich die Nachrichtenfunktion. Als wir auf der Frankfurter Buchmesse unser Buch präsentierten, staunten wir darüber, wie viele Menschen berichteten, dass sie sich auf Datingportalen kennen gelernt haben. Es war praktisch immer die gleiche Erfolgsstory: "Wir chatteten, manchmal die ganze Nacht. Irgendwann telefonierten wir. Wir konnten über die gleichen Dinge lachen. Dann wurde, nach Tagen oder Wochen, der Wunsch immer größer, sich zu treffen und dabei hat es dann gefunkt." Einige sind seit Jahren zusammen, haben Kinder und genießen ihr gemeinsames Leben. Andere haben eine Gruppe gefunden, deren Mitglieder in ganz Deutschland verteilt sind. Man besucht sich, unternimmt gemeinsame Ausflüge, ist füreinander da. Andere haben Freundschaft+ gefunden. Sie haben alles richtig gemacht, weil sie sich Zeit füreinander genommen und nicht gdrängt haben. Die Lebensweisheit unserer Großeltern: "Gut Ding will Weile haben", klingt zwar schrecklich altbacken, macht aber heute den Erfolg auf erotischen Dating-Portalen aus.
Erotik-Couch:
Vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte Sigrid Tinz im Januar 2019.
Fotos © Christian Huth
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